Die Welle bricht, der Schnee staubt, der Wingsuit rauscht durch die Luft – und mittendrin ein FBI-Agent, der die Grenzen zwischen Pflicht und Faszination verschwimmen sieht. Das Remake des Kultfilms „Point Break“ aus dem Jahr 2015 wagt sich weit über die Grenzen des Originals hinaus und tauscht die Surfbretter gegen eine ganze Palette von Extremsportarten ein. Was dabei herauskommt, ist ein visuelles Spektakel, das die Frage aufwirft: Kann man einen Klassiker neu erfinden, ohne seine Seele zu verlieren?
Point Break
Originaltitel: Point Break
Produktionsland: USA, Deutschland, China
Erscheinungsjahr: 2015
Laufzeit: 114 Minuten
FSK: Ab 12 Jahren
Regie: Ericson Core
Die Geschichte: Vom Extremsportler zum FBI-Agenten
Im Mittelpunkt des Films steht Johnny Utah (Luke Bracey), ein ehemaliger Extremsportler, der nach dem tragischen Tod seines Freundes bei einem waghalsigen Motorrad-Stunt seine Karriere aufgibt und sich stattdessen beim FBI bewirbt. Als eine Reihe spektakulärer Raubüberfälle die internationale Finanzwelt erschüttert, erkennt Utah ein Muster: Die Täter müssen Extremsportler sein.
Gegen den Widerstand seiner Vorgesetzten schlüpft Utah in seine alte Identität zurück und infiltriert die Szene. Dort trifft er auf den charismatischen Bodhi (Édgar Ramírez) und seine Gruppe von Gleichgesinnten, die nicht nur die Grenzen des physisch Möglichen ausloten, sondern auch eine spirituelle Mission verfolgen: Die „Ozaki 8“, eine Reihe von acht nahezu unmöglichen Prüfungen, die die Harmonie mit der Natur wiederherstellen sollen.
Was als einfache Undercovermission beginnt, wird für Utah zu einer existenziellen Reise. Je tiefer er in Bodhis Welt eintaucht, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen seiner Pflicht als FBI-Agent und seiner wachsenden Faszination für die Philosophie und den Lebensstil der Gruppe. Auch die Begegnung mit der geheimnisvollen Samsara (Teresa Palmer) stellt seine Loyalitäten auf die Probe.
Von der Surf-Kultur zum globalen Extremsport: Ein Remake wagt den Sprung
Während das Original von 1991 mit Keanu Reeves und Patrick Swayze fest in der Surf-Kultur Südkaliforniens verankert war, sprengt das Remake diese geografischen und sportlichen Grenzen. Regisseur Ericson Core, der seine Karriere als Kameramann bei „The Fast and the Furious“ begann, inszeniert eine globale Odyssee, die von den Monsunwellen vor der französischen Küste über die Klippen der Schweizer Alpen bis zu den Schneegipfeln der Dolomiten führt.
Der Film erweitert das Konzept des Originals und transformiert die Bankräuber-Surfer in Öko-Aktivisten, die sich gegen die globale Finanzwelt auflehnen. Ihre Raubüberfälle – das Abwerfen von Diamanten über einem brasilianischen Slum oder das Entleeren eines Goldtransports über mexikanischen Dörfern – werden als Robin-Hood-artige Aktionen inszeniert, die das Gleichgewicht zwischen Arm und Reich wiederherstellen sollen.
Diese konzeptionelle Erweiterung ist ambitioniert, verliert jedoch manchmal den emotionalen Kern, der das Original so unvergesslich machte. Die besondere Chemie zwischen Reeves und Swayze, die Kathryn Bigelows Film zu einem Kultklassiker machte, lässt sich im Remake nicht vollständig reproduzieren. Stattdessen setzt Core auf atemberaubende Bilder und spektakuläre Stunts, die zweifellos beeindrucken, aber nicht immer die emotionale Tiefe erreichen, die für eine wirklich packende Geschichte nötig wäre.
Zwischen Pflicht und Faszination: Die Hauptdarsteller
Luke Bracey übernimmt die Rolle des Johnny Utah, die im Original von Keanu Reeves gespielt wurde. Der australische Schauspieler bringt die physische Präsenz mit, die für die anspruchsvollen Actionszenen nötig ist, kann aber nicht immer die emotionale Ambivalenz vermitteln, die die Figur auszeichnet. Sein Utah wirkt manchmal zu eindimensional, was die innere Zerrissenheit des Charakters nicht vollständig zur Geltung bringt.
Édgar Ramírez als Bodhi steht vor der schwierigen Aufgabe, in die Fußstapfen von Patrick Swayze zu treten. Der venezolanische Schauspieler verleiht seiner Interpretation eine ernstere, fast mystische Qualität. Sein Bodhi ist weniger der charismatische Surfer-Guru und mehr der stoische Öko-Krieger, der bereit ist, für seine Überzeugungen zu sterben. Diese Neuinterpretation ist interessant, erreicht aber nicht die magnetische Ausstrahlung, die Swayzes Darstellung so unvergesslich machte.
Teresa Palmer als Samsara bleibt leider blass und wird hauptsächlich als Liebesinteresse für Utah eingesetzt, ohne eine eigenständige Charakterentwicklung zu erfahren. Ray Winstone als Utahs FBI-Partner Pappas bringt eine willkommene Portion Bodenständigkeit in den Film, kann aber das Charisma von Gary Busey aus dem Original nicht erreichen.
Spektakuläre Stunts: Die wahren Stars des Films
Wenn es einen Bereich gibt, in dem das Remake unbestreitbar glänzt, dann sind es die atemberaubenden Stuntsequenzen. Regisseur Core legte großen Wert darauf, möglichst viele der extremen Sportszenen mit echten Athleten und minimalen CGI-Effekten zu drehen. Für die verschiedenen Disziplinen wurden Spezialisten aus der jeweiligen Szene engagiert:
Die Surf-Sequenzen wurden mit Hilfe von Profis wie Laird Hamilton und Bruce Irons gedreht, die sich den monströsen Wellen von Teahupoo in Tahiti stellten. Für die Wingsuit-Flüge durch die engen Felsspalten der Schweizer Alpen verpflichtete man Jeb Corliss und Jon DeVore, zwei der erfahrensten Wingsuit-Piloten der Welt.
Besonders beeindruckend ist die Snowboard-Sequenz in den Dolomiten, bei der der Profi-Snowboarder Xavier de Le Rue einen nahezu vertikalen Hang hinabfährt – eine Szene, die ohne Tricks oder CGI gedreht wurde und zu den spektakulärsten Momenten des Films gehört.
Auch die Free-Solo-Kletterszene, bei der Bodhi und Utah ohne Sicherung einen Wasserfall erklimmen, wurde mit echten Kletterern gedreht und vermittelt ein authentisches Gefühl der Gefahr und des Adrenalins, das mit diesem Sport verbunden ist.
Diese Sequenzen sind zweifellos die Höhepunkte des Films und rechtfertigen allein schon den Kinobesuch. Sie vermitteln die Faszination und das Risiko des Extremsports auf eine Weise, die selbst Nicht-Sportler in ihren Bann ziehen kann.
Kritische Stimmen: Spektakel ohne Seele?
Bei seiner Veröffentlichung im Dezember 2015 erhielt „Point Break“ gemischte bis negative Kritiken. Während die spektakulären Stuntsequenzen fast durchweg gelobt wurden, kritisierten viele Rezensenten die dünne Handlung, die eindimensionalen Charaktere und den Mangel an emotionaler Tiefe.
Mit einem weltweiten Einspielergebnis von etwa 130 Millionen Dollar bei einem Budget von 105 Millionen Dollar galt der Film kommerziell als Enttäuschung. Besonders in den USA floppte das Remake mit nur 28,8 Millionen Dollar Einnahmen, während es international, vor allem in China, besser lief.
Die Kritik konzentrierte sich hauptsächlich auf drei Aspekte: den Vergleich mit dem Original, der fast immer zuungunsten des Remakes ausfiel; die schwache Charakterentwicklung, die es schwer machte, eine emotionale Verbindung zu den Protagonisten aufzubauen; und die oft inkohärente Handlung, die manchmal unter den spektakulären Stuntsequenzen zu leiden schien.
Dennoch fand der Film auch Befürworter, die die ambitionierte Erweiterung des Konzepts und die beeindruckenden Actionszenen lobten. Für Fans von Extremsportarten bietet „Point Break“ eine Fülle von authentischen und spektakulären Sequenzen, die in dieser Form selten im Kino zu sehen sind.
Fazit: Ein visuelles Spektakel mit konzeptionellen Schwächen
„Point Break“ (2015) ist ein Film der Gegensätze: visuell beeindruckend, aber emotional flach; konzeptionell ambitioniert, aber in der Umsetzung oft oberflächlich; spektakulär in seinen Stuntsequenzen, aber schwach in der Charakterentwicklung.
Als Remake eines Kultklassikers stand der Film vor der nahezu unmöglichen Aufgabe, die besondere Chemie des Originals zu reproduzieren und gleichzeitig etwas Neues zu bieten. In dieser Hinsicht ist „Point Break“ ein teilweiser Erfolg: Die Erweiterung des Konzepts auf verschiedene Extremsportarten und die globale Perspektive bieten frische Ansätze, während die ökologische Botschaft dem Film eine zeitgemäße Dimension verleiht.
Wer den Film als eigenständiges Werk betrachtet und nicht ständig Vergleiche mit dem Original zieht, wird mit spektakulären Actionsequenzen belohnt. Die atemberaubenden Landschaften und die authentischen Extremsport-Szenen machen „Point Break“ zu einem visuellen Erlebnis, das auf der großen Leinwand am besten zur Geltung kommt.
Letztendlich bleibt „Point Break“ jedoch hinter seinem Potenzial zurück. Was hätte ein faszinierendes Zusammenspiel von Extremsport, Öko-Aktivismus und existenzieller Suche werden können, verliert sich zu oft in oberflächlichen Actionszenen und philosophischen Plattitüden. Der Film ist wie ein Wingsuit-Flug – spektakulär und aufregend, aber ohne die emotionale Tiefe, die ihn wirklich unvergesslich machen würde.
Für Fans von Extremsportfilmen und atemberaubenden Stunts ist „Point Break“ dennoch ein Muss. Alle anderen sollten vielleicht doch lieber zum Original greifen (Point Break: Wie ‚Gefährliche Brandung‘ die Surf-Kultur revolutionierte) – oder sich zumindest beide Filme ansehen, um zu verstehen, wie unterschiedlich man eine ähnliche Geschichte erzählen kann.